Der Baumzähler

Für Thomas Crowther sind Daten der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel. Der britische Ökologe hat herausgefunden, dass es auf der Erde weit mehr Bäume gibt als bisher angenommen. Doch 3 Billionen sind nicht genug. Das Potenzial für die Aufforstung ist immens, sagt der gefragte Experte. Mit dem Crowther Lab sucht er nach Lösungen, um die globalen Ökosysteme auf natürlichem Weg wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Illustration "The tree counter"

An der Uni nannten sie ihn “The Tree Counter”, den Baumzähler. Vor acht Jahren, als er gerade sein Doktorat in der Tasche hatte, begann Thomas Crowther Bäume zu zählen. Damals wusste niemand genau, wie viele Bäume es auf unserem Planeten gibt. Es existierten lediglich grobe Schätzungen anhand von Satellitenbildern. Doch damit wollte sich der junge Wissenschaftler nicht begnügen.

Also begann Thomas Crowther unermüdlich Daten von Bodenbeobachtungen zu sammeln. Seine Kollegen an der Cardiff University hielten dies zunächst für ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie glaubten, dass kein Forscher je seine harterarbeiteten Daten teilen würde. Aber Crowther schaffte es, mehr und mehr Leute von seiner Idee zu überzeugen. 2015 publizierte das renommierte Magazin Nature die aufsehenerregenden Forschungsresultate.

 

Sie haben herausgefunden, dass es auf der Welt 3,04 Billionen Bäume gibt. Bisherige Schätzungen gingen von 400 Milliarden aus. Weshalb diese grosse Differenz?

Frühere Schätzungen basierten ausschliesslich auf Satellitenbildern, aber diese zeigen nicht, was unter der Oberfläche passiert. Deshalb haben wir Daten von Leuten gesammelt, die rund um die Welt Quadratmeter für Quadratmeter Bäume gezählt haben. Diese beiden Datensets haben wir dann verglichen und waren so in der Lage, eine genauere Angabe zu machen.

Illustration "The tree counter"

Umweltwissenschaftler und -aktivisten glauben, dass das Aufforsten von Baumbeständen die effizienteste Strategie ist, um den Klimawandel zu bekämpfen. Können wir unseren Planeten retten, indem wir Bäume pflanzen?

Das Aufforsten allein wird mit Sicherheit nicht reichen, um den Klimawandel zu bekämpfen, es ist genauso wichtig, die CO₂-Emissionen in den Griff zu kriegen. Trotzdem ist das Pflanzen von Bäumen eine der einfachsten und effizientesten Massnahmen, um CO₂ zu binden.

Wie viele Bäume könnten wir auf der Erde theoretisch noch pflanzen?

Unsere Forschungen zeigen, dass auf einem Raum von insgesamt 0,9 Millionen Hektaren neue, natürliche Wälder entstehen könnten. Wir haben keine konkrete Zahl publiziert, aber wir schätzen das Aufforstungspotenzial auf rund eine Billion Bäume. Das grösste Potenzial besteht in Gebieten, in denen Wälder abgeholzt wurden und der Boden bis heute weder landwirtschaftlich noch anderweitig genutzt wird. In den Tropen gibt es am meisten von diesem Brachland.

Sie forschen an der ETH in Zürich. Wie viele Grad wärmer wird es in dieser Stadt im Jahr 2050 sein? 

Es ist schwierig, eine genaue Angabe zu machen, aber unsere Studie zum Urban Heat Island Effect zeigt, dass das Klima in Zürich 2050 mit dem heutigen Klima von Mailand vergleichbar sein könnte. Das bedeutet viele heisse Tage über 30°C im Sommer und Durchschnittstemperaturen weit über 0°C im Winter. Der letzte Winter hat es gezeigt: Schnee wird zur Ausnahme.

Vier Jahre nachdem Thomas Crowther seine bahnbrechenden Forschungsresultate in Nature publizierte, erschien in demselben Magazin ein ausführliches Porträt über den heute 33-Jährigen. Der Artikel porträtiert Crowther als Rockstar unter den Umweltwissenschaftlern, mit Millionen an Forschungsgeldern im Rücken, interviewt von BBC und Al Jazeera. Und so viel Erfolg bringt auch Neid: Weniger erfolgreiche Kollegen zweifeln den Wert von Crowthers Forschung immer wieder an.

 Heute doziert Crowther an der ETH Zürich, wo er 2017 das Crowther Lab gründete. Die 30 Wissenschaftler, darunter Ökophysiologen, Mathematiker und Programmierer, vermessen die Ökosysteme dieser Welt. Das interdisziplinäre Vorkommen von Bäumen, Pilzen und Mikroben akribisch auf Karten, um naturbasierte Lösungen für den Klimawandel zu finden.

Illustration "The tree counter"

In einem Blog-Eintrag schreiben Sie, die Antwort auf den Klimawandel sei in den Daten zu suchen. Wie viel wissen wir heute über die globalen Ökosysteme?

Es gibt noch viele Wissenslücken zu füllen. Und je mehr wir herausfinden, umso mehr realisieren wir, was wir alles nicht wissen.

Welches Potenzial haben Technologien wie künstliche Intelligenz und Machine Learning für die Wissenschaft?

Diese Technologien bieten Wissenschaftlern ganz neue Möglichkeiten. Dank ihnen können wir Millionen verschiedener Szenarien in wenigen Sekunden durchspielen. Früher hätten solche Berechnungen Jahre gedauert. So beschleunigt sich unsere Lernrate und wir können uns das zeitraubende Trial-and-Error-Verfahren mehr und mehr sparen.

Die meisten Klimaforscher fokussieren auf die Erdoberfläche und die Atmosphäre. Sie interessieren sich auch für die Mikroorganismen unter der Erde. Warum? 

Der Erdboden ist ein riesiges CO₂-Lager. Allein in den obersten 2 Metern befinden sich heute rund 1'500 Gigatonnen CO₂. Studien zeigen, dass diese Schicht das Potenzial hätte, weitere 116 Gigatonnen zu speichern. Zudem haben die Mikroorganismen im Erdboden einen grossen Einfluss auf das Wachstum der Pflanzen. Ein gesunder Boden ist die Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt Bäume wachsen können. Insofern spielen der Erdboden und die Mikroorganismen, die darin leben, bei der Reduktion von CO₂ eine ganz zentrale Rolle.

Illustration "The tree counter"
Portrait of the british ecologist Thomas Crowther

ÜberThomas Crowther

Thomas Crowther (33) ist Professor für Globale Ökosystemökologie an der ETH Zürich, wo er 2017 das Crowther Lab gründete. Ziel seiner Forschungsarbeit ist ein ganzheitliches Verständnis der globalen ökologischen Systeme, die das Erdklima regulieren.

Text:

Ralph Hofbauer

Als Kind interessierte ich mich für Autos, Flugzeuge und Raketen. Da ich aber mit zwei linken Händen geboren wurde und nicht gut im Rechnen bin, konnte ich nicht Ingenieur werden. Die Faszination für Technik ist geblieben, unter anderem, weil sich Mensch und Maschine immer näherkommen.

Illustration: Xavier Mula

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