Der smarte Weg in die nachhaltige Zukunft

Nachhaltigkeit ist kein Zukunftsthema mehr, sondern im Hier und Jetzt angekommen. Klimawandel und Umweltzerstörung zwingen Unternehmen, nachhaltig zu agieren. Sie müssen, innovativ sein und smarte Lösungen umsetzen, sagt der Experte für Nachhaltige Transformation Carlos Sanchez und zeigt aktuelle Trends für den Aufbau robuster, widerstandsfähiger und nachhaltiger Unternehmen.

Carlos Sanchez

UN-Generalsekretär António Guterres machte an der UN-Klimakonferenz 2022, COP 27, Aussagen, die nachdenklich stimmen: «Die Klimakrise hat ein immenses, beinahe biblisches Ausmass. Wir haben es nicht mehr bloss mit einem brennenden Busch zu tun, sondern mit einem brennenden Planeten.» Der 74-jährige Guterres verglich die Erde mit einem Patienten, der schwerverletzt in der Notaufnahme liegt.

Der Experte für Nachhaltigkeit, Carlos Sanchez, erkennt diese Aussage zwar an, versichert aber, dass das Glas halb voll und nicht halb leer sei: Die richtigen Massnahmen würden jetzt ergriffen. «Mittlerweile erkennen die meisten Menschen den Klimawandel an», sagt Sanchez. Die eigentliche Frage sei: «Können wir eine Lösung finden? Können wir den Kurs ändern?» Für ihn ist klar: «Die Folgen des Klimawandels werden jahrzehntelang zu spüren sein, auch wenn wir jetzt handeln und unser Bestes geben».

Mittlerweile erkennen die meisten Menschen den Klimawandel an. Die eigentliche Frage ist: Können wir eine Lösung finden? Können wir den Kurs ändern? Carlos Sanchez

Sanchez betont, dass Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit nicht nur als separate Agenda ihrer sozialen Verantwortung führen sollen. Vielmehr sollten sie es in ihre Kerngeschäftsstrategie integrieren. «Gleichzeitig müssen die täglichen Entscheidungen und Verhaltensweisen von uns Bürgerinnen und Bürgern unser Engagement für Nachhaltigkeit widerspiegeln», sagt Sanchez. Die Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken sei grenz- und sektorübergreifend – und somit eine gemeinsame Verantwortung für uns alle.

Dieses kollektive Engagement ist eine nicht verhandelbare Verpflichtung, wenn wir unseren Planeten für künftige Generationen bewahren wollen. Es ist von entscheidender Bedeutung, alle Nachhaltigkeitsbemühungen und -ziele effektiv umzusetzen, statt sie bloss als einen strategischen Plan zu behandeln. Darum geht es bei «Smart Sustainability».

Sanchez empfiehlt, diese vier Nachhaltigkeitstrends unter die Lupe zu nehmen:

Obligatorische Berichterstattung:

Die Anzahl staatlicher Vorschriften, die Unternehmen zur Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen verpflichten, steigt immer weiter an. Diese Gesetze zielen darauf ab, Transparenz und Verantwortung zu fördern und die Unternehmen zu nachhaltigeren Praktiken in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance) zu bewegen. Für Investoren sind die sogenannten ESG-Analysen dazu eine wichtige Voraussetzung geworden. Die Unternehmen selbst sind in hohem Masse auf eine genaue Berichterstattung über ihre wesentlichen Themen angewiesen.

Bewertung der Auswirkungen:

ESG-Investitionen waren früher mit zahlreichen Unsicherheiten in Bezug auf ihren gesellschaftlichen Mehrwert behaftet. Nun wandeln sie sich aber zu dem, was heute als Impact Investing, deutsch: wirkungsvolles Investieren, bekannt ist. Anhand ihrer Bewertungen können die genauen Auswirkungen dieser Form des Investierens aufgezeigt werden.

ESG und Technologie:

Die Technologie verändert die Art und Weise, wie wir ESG-Analysen und -berichte durchführen. Automatisierung wird für Unternehmen zunehmend wichtig, um Datenquellen zu verwalten, Key Performance Indicators (KPIs) zu messen oder Aktivitäten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu verfolgen. Durch die Nutzung dieser technologischen Fortschritte erhalten Anleger detaillierte Einsicht in die Leistung eines Unternehmens und dessen Entscheidungsfähigkeit.

Netto-Null-Fahrpläne:

In den vergangenen Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit stark in den Vordergrund gerückt. Das Ziel: Bis im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen. Unternehmen müssen ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen bewerten, um diesem Ziel näher zu rücken. Sie müssen Wege finden, um ihren CO2-Fussabdruck durch erneuerbare Energiequellen, Ressourcen-Effizienz oder Kreislaufwirtschaft zu verringern. Sogenannte Netto-Null-Fahrpläne bieten eine solide Basis dazu. Denn sie ermöglichen eine langfristige Strategie und dienen als Massstab für Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit.

Carlos Sanchez

«Green washing» vs. «Green hushing»

Bemühungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit können heikel sein – der Begriff «Green washing» ist oft zu hören. Er beschreibt Unternehmen, die Nachhaltigkeit für PR-Zwecke nutzen, um zumindest einige ihrer Aktivitäten zu beschönigen. Auf der anderen Seite gibt es einen neuen Begriff, der sich «Green hushing» (sinngemäss Grünschweigerei). Dieser beschreibt, wie Unternehmen zögern, ihre Bemühungen öffentlich zu machen – auch wenn sie gute Absichten haben oder gar erfolgreich sind.

Heute sind viele Unternehmen mit dem Problem «Green washing» vertraut. Sie kennen die potenziellen Risiken dieses Missbrauchs. Dies veranlasst sie dazu, konkrete und greifbare Ergebnisse ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen nachzuweisen. Dadurch sorgen sie für Transparenz und übernehmen Verantwortung.

Die Unternehmen müssen nicht nur damit werben, dass sie Massnahmen ergreifen, sondern auch konkrete, verlässliche Kennzahlen für ihre Fortschritte im Bereich ESG offenlegen. Carlos Sanchez

Die Unternehmen müssen nicht nur damit werben, dass sie Massnahmen ergreifen, sondern auch konkrete, verlässliche Kennzahlen für ihre Fortschritte im Bereich ESG offenlegen. Mit Blick auf das «Green hushing» rät Sanchez den Unternehmen, ihre Bemühungen transparent zu gestalten: «Jeder und jede soll verstehen, welche Schritte unternommen werden und wie die Nachhaltigkeit voranschreitet, einschliesslich der Erfolge und Misserfolge.» Dadurch steige das Vertrauen der Stakeholder in die Authentizität der Bemühungen.

Letztlich müssten sich Unternehmen um eine umfassende Kultur der Nachhaltigkeit bemühen, um Fortschritte zu erzielen. Das bedeutet: Bildungsinitiativen zu grünen Grundsätzen durchführen, kooperative Partnerschaften mit anderen Organisationen eingehen und transparente Geschäftsmodelle entwickeln.

Carlos Sanchez

Externe Überprüfungen auf dem Vormarsch

Die Bedeutung von Daten nimmt stetig zu, und folglich auch die erforderliche Überprüfung durch Dritte. Unternehmen streben nach Transparenz und wollen gleichzeitig Situationen vermeiden, die zu Problemen führen könnten. Sie müssen in Fachkompetenzen und die richtige Technologie investieren, um Genauigkeit sicherzustellen.

Ein gut durchdachtes Prüfverfahren liefert den Stakeholdern glaubwürdige Daten zur ESG-Leistung. Die präsentierten Ergebnisse sollten einen Vergleich zwischen den verschiedenen Sektoren und Unternehmen ermöglichen. Dies hilft ihnen, Verbesserungspotenziale zu erkennen und Fortschritte im Laufe der Zeit zu messen.

UN-Experten bezweifeln, dass wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen können

«Wir können unseren Lebensstil ändern»

Sanchez betont: «Es gibt zwar Herausforderungen, aber auch ein gemeinsames Ziel. Viele Länder, Unternehmen und deren gesamte Lieferketten haben dieses angenommen». Man sei auf dem richtigen Weg, müsse nun aber die Anstrengungen verstärken und das Tempo erhöhen. «Das Klimaabkommen von Paris war ein grosser Schritt nach vorn. Jetzt haben wir ein gemeinsames Ziel, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir es erreichen können.»

Wir dürften nicht vergessen, dass wir auch als Einzelpersonen etwas bewirken können, sagt Sanchez. «Wir können unseren Lebensstil ändern, unseren Ressourcenverbrauch reduzieren und nachhaltigere Alternativen in Betracht ziehen. Dies kann mit kleinen Schritten beginnen: das Licht ausschalten oder wiederverwendbare Taschen benutzen.» Dann könnten wir schnell zu grösseren Massnahmen übergehen – zum Beispiel energieeffizient renovieren, die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft anwenden oder nur mit dem Flugzeug reisen, wenn es absolut nötig ist. «Die Regel lautet: Fang klein an, sei beharrlich und teile deine Fortschritte.»

Carlos Sanchez

Das lineare System ist eine Sackgasse

Es gibt mehrere Aspekte, die einen Wandel erfordern. Die aktuelle Lebensweise sei nicht nachhaltig, da wir in einem linearen System arbeiten, so Sanchez: «Wir entziehen der Natur Ressourcen, die dann als Abfall enden. Das ist definitiv kein nachhaltiger Ansatz, vor allem in Anbetracht der wachsenden Grösse und der Bedürfnisse der Weltbevölkerung.» Die Konsumenten sollten mehr Zugang zu Informationen über die Beschaffungs- und Produktionsprozesse hinter den Produkten erhalten. «Heutzutage erklären viele Unternehmen mit Stolz, dass sie die Industrie umgestalten wollen», sagt Sanchez. Dennoch sei es wichtig zu prüfen, wie effektiv diese ihren Zweck erfüllen.

Sanchez: «Ich hoffe, dass die Anleger künftig noch mehr wissen, wo sie ihr Kapital einsetzen. Denn dies wird eine entscheidende Rolle beim Gestalten einer kreislauforientierten Welt spielen.» Produkte sollten von Anfang an mit einer kreislauforientierten Denkweise entwickelt werden. Dies gewährleiste Nachhaltigkeit während ihres gesamten Lebenszyklus.

Carlos Sanchez

Was fällt Ihnen zu folgenden Begriffen ein?

Erneuerbare Energien

Carlos Sanchez: Günstige Energie und eine Chance für die Länder der Dritten Welt.

Wasser

Das ist die nächste grosse Herausforderung nach dem Klimawandel – ein Risiko, über das nur wenige Menschen sprechen.

Mega Cities

Sie sind die Zukunft unserer Gesellschaft und bieten die Chance, das Leben der Menschen zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten.

Zürich

Eine multinationale, multikulturelle und sehr lebendige Stadt.

Human Capital vs. Shareholder Value

Früher ging es ausschliesslich darum, Werte für Aktionäre zu schaffen. Heute müssen die Unternehmen darüber nachdenken, wie sie verschiedenen Stakeholdern einen Mehrwert bieten und im Rahmen eines nachhaltigen Handelns eine Wirkung erzielen können.

Lebensqualität

Die Möglichkeit, ein glückliches und nachhaltiges Leben zu führen.

Auf den Mars ziehen oder die Erde retten?

Ich denke, wir müssen beides tun.

Greta Thunberg

Sie ist eine inspirierende Persönlichkeit, die ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit geschaffen hat. Und sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie unsere jungen Generationen das Thema ernst nehmen.

Carlos Sanchez

Carlos Sanchez ist Experte für die Entwicklung von Strategien in den Bereichen Nachhaltigkeits-Berichterstattung, Netto-Null-Emissionen, Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Er nimmt als Speaker an Veranstaltungen und Webinaren teil und berät andere Unternehmen, Investoren und Clean-Tech-Start-ups in Sachen Klimawandelstrategie. In seinem Blog www.carlossanchez.eco informiert er über die neuesten Nachhaltigkeitstrends und bewährte Verfahren.

Fotografie und Text:

Stefan Jermann

Initiator und Gründer von Naratek. Bewegt sich seit über 20 Jahren im Bereich Kommunikation und Storytelling. Starke Affinität zu Tech-Themen, urbane Transformationen und wie Menschen in Zukunft in Städten leben und sich darin fortbewegen. 

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