Der verkannte Pionier
Vor 60 Jahren brachte Theodore Maiman den ersten Laser zum Laufen. Weder Industrie noch Forschung sahen damals jedoch einen praktischen Nutzen in der Technologie. Die Geschichte einer Fehleinschätzung.
Als Theodore Maiman im Frühjahr 1960 ein Licht aufging, war die Fachzeitschrift «Physical Review Letters» mit Blindheit geschlagen: Sie lehnte es ab, den grossen Durchbruch des Physikers zu publizieren. Dabei beschrieb Maiman in seinem eingereichten Manuskript nichts weniger als den ersten funktionstüchtigen Laser. Rückblickend dürfte die Absage wohl der schwerste Fauxpas in der Geschichte des renommierten Wissenschaftsmagazins gewesen sein. Denn ohne Laser wäre die Welt heute eine andere.
Ohne Laser kein Breitbandinternet
Die Lasertechnik ermöglichte das Breitbandinternet und revolutionierte mit dem Glasfaserkabel auch die Telefonie – Laserlicht transportiert Daten mit beispielloser Effizienz. In der Industrie werden die Strahlen zum Bohren, Schneiden und Schweissen eingesetzt, im Supermarkt zum Scannen von Barcodes. Die Technologie steckt in Smartphones, Solarzellen oder auch in Herzschrittmachern. Überhaupt sind Laser und Medizin ein eingeschworenes Paar – dort hat sich die Technik zu einem ebenso zentralen Instrument wie das Skalpell entwickelt.
Und bis heute basieren alle Laser auf Theodore Maimans «Ur-Laser». 1960, als der damals 32-Jährige diesen baute, war das bahnbrechende Potenzial der gebündelten Lichtstrahlen allerdings noch nicht absehbar. Mehr noch: Wissenschaft und Industrie sahen vorerst keine praktische Anwendung für Laser. «Es ist eine Lösung, die ihr Problem sucht», gab Maiman selbst zu.
Material aus dem Versandhauskatalog
Fast wäre diese Lösung denn auch nicht zustande gekommen – zumindest nicht in den «Hughes Research Labaratories», wo Maiman zu dieser Zeit angestellt war. Denn sein Chef, der Luftfahrtvorreiter Howard Hughes, wollte seinen Angestellten dazu zwingen, seine Laser-Experimente einzustellen. Doch der junge Grundlagenforscher aus Los Angeles wehrte sich – und setzte sich durch. Er hatte es sich auf die Fahne geschrieben, Albert Einsteins Theorie der stimulierten Emission aus dem Jahr 1916 praktisch zu beweisen und das Rennen um den ersten Laser zu gewinnen. Dieses lieferte sich die Forschung nämlich trotz fehlender Anwendungsgebiete.
Der Rest war Handwerk
Und tatsächlich: Am 16. Mai vor 60 Jahren gelang es Maiman, Einsteins Prinzip technisch zu nutzen – zur Überraschung seiner weitaus höher dotierten Konkurrenz. Noch dazu verwendete er dafür einen Werkstoff, den seine Mitstreiter für hoffnungslos hielten: einen Rubin, den Maiman mit zwei Spiegeln versah. Dieses einfache Material – wie auch die ebenfalls nötige Blitzlampe – habe er lediglich im Katalog bestellt, wird der findige Physiker zitiert. «Der Rest war Handwerk.»
Mit der Blitzlampe versetzte Maiman die Rubin-Atome in Schwingung. Derart «aktiviert» begannen manche der Atome, ihrerseits Lichtteilchen auszusenden. Diese regten wiederum andere Atome dazu an, identische Strahlung abzugeben – mithilfe der Spiegel, welche die Lichtteilchen reflektierten, setzte sich ein Dominoeffekt in Gang. Stimulierte Emission. Die Folge: Ein extrem satter, in eine Richtung gerichteter Lichtstrahl.
Vom «Todesstrahl» zum Dauerbrenner
Schliesslich fand Maiman dann doch Gehör, wenn zunächst auch nur in der Lokalpresse: «Mann aus Los Angeles erfindet Science-Fiction-Todesstrahl», titelte diese im Juli 1960. Und traf damit wenigstens einen Nerv – den der Rüstungsindustrie. Man bedenke, es war die Zeit des Kalten Kriegs und Laserwaffen stellten eine mehr als interessante Aufrüstungsoption dar. Allerdings: Lichtwaffen à la Star Wars gibt es bis heute nicht; weder Laserschwert noch -kanone waren realisierbar.
Die Grenzen der Lasertechnik sind jedoch noch längst nicht erreicht. So tüftelt etwa das deutsche Max-Planck-Institut für Quantenoptik aktuell an besonders kurzen gebündelten Röntgenstrahlen, die für die Früherkennung von Krebs wichtig sind. Während das Karlsruher Institut für Technologie Laser offenbar mit dem Ziel einsetzt, einmal Quantencomputer zu steuern. Zudem arbeiten Wissenschaftler weltweit an der laserinduzierten Kernfusion zur Energiegewinnung – damit könnte eine schier unerschöpfliche saubere Quelle erschlossen werden.
Später Ruhm
All das wird Laserpionier Theodore Maiman nie erfahren – er starb 2007 in Vancouver an einer seltenen Hautkrankheit. Zu Ruhm und Ehre ist der Nordamerikaner über die Jahre jedoch durchaus noch gelangt: Er erhielt mehrere Auszeichnungen; der Nobelpreis blieb ihm aber zeitlebens verwehrt. Maiman habe schliesslich nichts Neues erfunden, sondern bloss bestehende Ideen umgesetzt, trug die nörgelnde Konkurrenz wohl dazu bei.
Wie auch immer: Maiman wurde mit der Zeit nicht nur berühmt, sondern auch reich. Nach einem Rechtsstreit konnte er seine Errungenschaft 1967 patentieren lassen. Und als erfolgreicher Unternehmer sollte er noch viele weitere Patente zu Geld machen. Damit erging es ihm besser als seinem Vater: Dieser war ebenfalls Wissenschaftler und entwickelte unter anderem das Stethoskop weiter. Die Rechte an seinen Erfindungen erhielt Maiman Senior jedoch nie.
Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre Theodore Maiman übrigens Arzt geworden. Als Physiker dürfte er der Medizin aber um ein Vielfaches mehr genützt haben. Zur Jahrtausendwende profitierte der damals 73-Jährige sogar selber davon: Er unterzog sich in München einer Prostataoperation – mittels Laser.
Timeline
1916: Albert Einstein beschreibt das Prinzip der «stimulierten Emission». Er ist sich sicher, dass Licht Materie unter gewissen Bedingungen dazu bringen kann, Licht zu verstärken.
1951: Der Physiker Charles H. Townes realisiert Einsteins Theorie – allerdings nicht mit Licht, sondern mit Mikrowellen; er entwickelt den «Maser». Ob das Prinzip auch mit Lichtstrahlen funktioniert, bleibt unklar.
1957: Eines ist nun aber sicher: Sollte die Lichtverstärkung jemals funktionieren, soll sie – angelehnt an den «Maser» – «Laser» heissen. Oder ausgeschrieben: «Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation».
16. Mai 1960: Theodore Maiman bringt Licht in die Sache und zündet in Malibu den ersten Laserstrahl – mit einem verspiegelten Rubinkristall. Noch im selben Jahr entsteht der erste Gaslaser, bei dem Gas die Rolle des Rubins als Lasermedium übernimmt.
1961: Der Laser findet in der Augenheilkunde seine erste medizinische Anwendung: Ärzte zerstören bei einem Patienten einen Netzhauttumor.
1962: Der Wettbewerb um den Laser nimmt Fahrt auf: Rund 500 Institutionen und Firmen entwickeln die Technologie weiter und es entstehen erste marktreife Produkte.
1962: Der erste Halbleiterlaser läuft. Hier erzeugt eine Laserdiode, ein mit der Leuchtdiode (LED) verwandtes Halbleiter-Bauteil, die Laserstrahlung. Bis heute ist dies der am weitesten verbreitete Laser-Typ.
1964: Bald folgt der CO2-Laser, eine Form des Gaslasers. Mit seiner hohen Leistung findet er sein Anwendungsgebiet bald in der Industrie: zum Schneiden, Bohren und Schweissen von Metallen.
1967: Die US-Luftwaffe verbessert mittels Laser die Treffsicherheit ihrer Bomben im Vietnamkrieg.
1974: Der Strichcode-Scanner leuchtet auf: In der Filiale einer US-amerikanischen Supermarktkette wird das erste Produkt gescannt, eine Zehnerpackung Kaugummi.
1985: Die British Telecom überträgt mit Glasfaserkabel erstmals Signale ohne Zwischenverstärkung über eine Strecke von 250 km. Die Informationsübertragung über Lichtwellenleiter setzt sich in der Folge durch und dies legt den Grundstein für das moderne Telefon- und Internetnetz.
Ab 1990: Der Laser wird zur Querschnittstechnologie und etabliert sich in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen. Durch den Einsatz von neuen Lasermedien wird die Technologie weiterentwickelt: Der Faserlaser, bei dem der Laserstrahl in besonders aufgebauten Glasfasern verstärkt wird, verdrängt den CO2-Laser in der Industrie zunehmend. Gleichzeitig werden Laserquellen immer kleiner: Nanolaser sorgen in der Medizin, aber auch in der Computertechnologie bis heute immer wieder für neue Innovationen.
Text:
Illustration: Reza Bassiri